Produktrechtskanzlei
Rechtsberatung rund um das Produkt

Zur Vervollständigung ihres Produktangebots vertreiben Hersteller unter ihrem Namen häufig auch von ihnen nicht selbst hergestellte, sondern zugekaufte Produkte (OEM-Produkte, White Label - Produkte, Handelsware). Soweit im industriellen Einkauf Handelsware zugekauft wird, nähert sich der industrielle Einkauf dem Handelseinkauf. Identische Produkte werden unter verschiedenen Herstellernamen auf den Markt gebracht, jedoch von einem einzigen Produzenten gefertigt. Derjenige, der Produkte entwickeln oder herstellen lässt und unter seinem eigenen Namen vermarktet, ist jedoch Hersteller, sog. Eigenmarken-Hersteller. Er wird z.T. auch als „Private Label Manufacturer“ bezeichnet.  Er muss das auf das Produkt anwendbare Konformitätsbewertungsverfahren durchführen und die EU-Konformitätserklärung ausstellen und dies unabhängig davon, welchen Einfluss er auf die Entwicklung oder die Produktion des Produkts hat. Hingegen ist der Originalhersteller oder Erstausrüster, auch Original Equipment Manufacturer genannt, nicht Hersteller im Sinne des öffentlich-rechtlichen Produktverkehrsrechts. Ihn trifft mangels Inverkehrbringens des für seinen Kunden hergestellten OEM-Produkts keine Pflicht zur Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens.  Der die Lieferbeziehung zwischen dem „Privat Label Manufacturer“ und dem „Original Equipment Manufacturer“ regelnde Vertrag – Auftragsentwicklung und -herstellung, Lohnherstellung und generell die vertragliche Regelung all jener Sachverhalte, wo größere Teile des Produktentstehungsprozesses ausgelagert werden – wird sich damit nicht auf den Aspekt des Kaufs oder der Entwicklung beschränken können. Die Kanzlei BAUER unterstützt bei der rechtssicheren Integration von OEM-Produkten in Ihr Produktportfolio. 

Konformitätsnachweis des Eigenmarken-Hertellers

Grundsätzlich kann die Konformitätsbewertung in Gänze oder in Teilen von einem Dritten durchgeführt werden. Die Pflicht zur Durchführung einer Konformitätsbewertung kann aber nicht mit befreiender Wirkung einem Dritten übertragen werden. Eine befreiende Übertragung öffentlich-rechtlicher Herstellerpflichten ist ausgeschlossen und behält der Hersteller als der ursprünglich Verpflichtete diese Stellung bis zur Erfüllung der Pflicht. Die praktische Frage bei OEM-Geschäften und generell immer dann, wenn größere Teile des Produktentstehungsprozesses ausgelagert werden ist, wie der gesetzliche Hersteller den Nachweis ordnungsgemäßer Konformitätsbewertung führen kann. Hierbei sind im Grunde zwei Aspekte zu unterscheiden, die sich teilweise überschneiden: 1) Zunächst gilt es zu bestimmen, wie der Hersteller den Nachweis ordnungsgemäßer Durchführung der Konformitätsbewertung erbringen kann, wenn relevante Entwurfs- und/oder Fertigungsschritte vom Lieferanten ausgeführt werden. Hier sind verschiedene Fallkonstellationen denkbar. Maßgebend ist zunächst, ob der Lieferant für das betreffende Produktmodell auch selbst Hersteller ist, d.h. gleichartige Produkte auch unter seinem Namen oder seiner Marke vertreibt, und nur das äußere Design des Produkts, nicht aber auch das technische Design, geändert wird. Weiter ist entscheidend, ob das einschlägige Konformitätsbewertungsverfahren die Einbeziehung einer unabhängigen Stelle fordert und der Lieferant über Bescheinigungen für das betreffende Produkt verfügt. 2) Zum anderen geht es um den Nachweis der Sicherstellung der Konformität durch den Eigenmarken-Hersteller. So muss nach Einschätzung der Europäischen Kommission der Eigenmarken-Hersteller nachweisen, über jede Änderung im technischen Design, im Herstellungsprozess und der Konformitätsbewertung informiert zu sein. Dies bedingt notwendigerweise, dass die Anforderungen an das OEM-Produkt, den Herstellungsprozess sowie die Anforderungen an die Konformitätsbewertung bereits im Vorfeld zwischen dem Eigenmarken-Hersteller und dem Lieferanten festgelegt und der gesamte Produktentstehungsprozess abgestimmt bzw. vom Eigenmarken-Hersteller geprüft und validiert wurden. Die Gesamtverantwortung für Entwurf und Fertigung verbleibt stets beim Eigenmarken-Hersteller als Hersteller und gelten die hiermit einhergehenden Kontroll- und Überwachungspflichten unabhängig vom einschlägigen Konformitätsbewertungsverfahren. Aber auch die Erfüllung der sonstigen Herstellerpflichten ist bei Auslagerung von Prozessen sicherzustellen. Insoweit ist insgesamt festzustellen, dass der Hersteller, der Prozesse ausgegliedert, generell die "Lenkung derartiger Prozesse sicherstellen" muss. Weiter ist die zur Konformitätsbewertung geforderte technische Dokumentation bedeutsam. Deren (auch nur teilweise) Herausgabe durch den Lieferanten an den Eigenmarken-Hersteller ist aus Gründen des Know-How-Schutzes regelmäßig konfliktuell. Hier ist zu berücksichtigen, dass die technische Dokumentation weit mehr ist als nur eine vom Hersteller zu beachtende Formalität. Die technische Dokumentation dokumentiert die Berücksichtigung der gesetzlichen Anforderungen innerhalb des Konstruktionsprozesses und ist als den Konstruktionsprozess nachzeichnende Dokumentation das Bindeglied zwischen den abstrakten gesetzlichen Forderungen in Form der sog. wesentlichen Anforderungen und dem konkreten Produkt (Bauart). Dies gilt es sich zu vergegenwärtigen, wenn die Produktentwicklung ausgelagert oder Produkte „zugekauft“ werden. Die technischen Unterlagen sind zur Einsicht durch die Marktaufsicht bereitzuhalten und genügt der Eigenmarken-Hersteller seiner Verpflichtung, die vollständige technische Dokumentation zur Verfügung zu haben, nicht dadurch, indem er auf die technische Dokumentation eines Unterauftragnehmers oder Lieferanten verweist.

Konformitätssicherungsvereinbarung 

Da der Lieferant bezogen auf das unter dem Namen des Auftraggebers vertriebene einzelne Produkt nicht selbst den öffentlich-rechtlichen Herstellerpflichten unterliegt, kann deren Erfüllung nur mittels Vertrag sichergestellt werden. Im OEM-Geschäft sind detaillierte Vereinbarungen erforderlich, die zu den Tätigkeiten und Aufgaben im Rahmen des Produktentstehungsprozesses, die vom Eigenmarken-Hersteller nicht selbst bzw. vom Lieferanten durchgeführt werden, präzise, verbindliche und sachgerechte Regelung treffen. Alle relevanten Aspekte der einschlägigen CE-Richtlinien und/oder -verordnungen sowie zusätzliche nationale Anforderungen müssen im OEM-Vertrag zwischen dem Eigenmarken-Hersteller und dem Lieferanten abgestimmt und die Verantwortlichkeiten zugewiesen werden. In der Praxis sind entsprechende Regelungen regelmäßig in den der Lieferbeziehung zugrundeliegenden Entwicklungs- und Lieferrahmenverträgen verortet. Sie können auch Gegenstand gesonderter Vereinbarung sein. 

Generalklauseln

Die das OEM-Geschäft regelnden OEM-Verträge enthalten zunächst Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem des Lieferanten und verlangen ganz regelmäßig eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 bzw. ISO/TS 16949. Weitere, gleichsam formularmäßig Regelungen allgemeiner Art sind solche zur Unterauftragsvergabe, zum Beschwerde- und Rückrufmanagement, zur Rückverfolgbarkeit von Bauteilen und Materialien in der Lieferkette, zu den technischen Unterlagen / zur technischen Dokumentation, zur Auditierung durch den Eigenmarken-Hersteller und/oder Dritten, zum Schadstoffmanagement (RoHS und REACH), zu Informationspflichten bei Qualitätseinbrüchen oder Kundenbeschwerden zu bauartgleichen oder -ähnlichen Produkten des Lieferanten.  

Regelungen zur Produkt- und Fertigungsfreigabe

Generalklauselartiger Regelung entzogen und auf das konkrete OEM-Produkt und das anzuwendende Konformitätsbewertungsverfahren spezifisch zugeschnitten sind die vertraglichen Regelungen zur Produkt- und Fertigungsfreigabe. Sie müssen es dem Hersteller erlauben, die Konformität der Bauart und des einzelnen Produktes bei Serienfertigung beurteilen, sicherstellen und dokumentiert belegen zu können.

Produktfreigabe

Stellt der Lieferant nicht nach eigenen Spezifikation her und ist das OEM-Produkt von diesem erst noch zu entwickeln, ist vorzusehen, dass der Lieferant von Beginn der Entwicklung an und in regelmäßiger Abstimmung mit dem Eigenmarken-Hersteller eine fortzuschreibende Risikoanalyse / Gefährdungsanalyse und Risikobewertung (Risikobeurteilung) zu all jenen Aspekten durchführt, die von auf das OEM-Produkt anwendbaren Rechtsvorschriften abgedeckt werden. Die Parteien verständigen sich hierbei idealiter auf eine Methode. Eine Abschrift der Risikoanalyse / Gefährdungsanalyse und Risikobewertung (Risikobeurteilung) ist in die interne technische Dokumentation einzustellen. Der Eigenmarken-Hersteller ist auch im Übigen in den Konstruktions- und Produktentwicklungsprozess einzubinden. Das Lastenheft des Eigenmarken-Herstellers sollte bereits die einzuhaltenden gesetzlichen Anforderungen (Produktsicherheit / Produktsicherheitsrecht, Ökodesign, EMV, FuAG, RoHS, etc.) und technischen Normen beinhalten. Das im Rahmen der Spezifikationsphase erstellte Pflichtenheft, das Konzept, die Lösungsauswahl und die in der Gestaltungsphase auszuarbeitende Baustruktur bedürfen aufgeklärter Bestätigung des Eigenmarken-Herstellers: der Lieferant hat mittels der technischen Unterlagen / technischen Doumentation – namentlich den Ergebnissen der Konstruktionsberechnungen und den Test- und Prüfberichten zum Prototypen – dem Lieferanten gegenüber den Nachweis zu führen, dass der aus dem Pflichtenheft, inkl. Konstruktionsunterlagen, ersichtliche technische Entwurf des OEM-Produkts angemessen ist, d.h. dass ein so konzipiertes Produkt den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Diese Nachweise sind zu dokumentieren und eine Abschrift der dem Nachweis dienenden Dokumente dem Besteller zu übergeben. Er hat den Besteller darüber zu informieren und zu erläutern inwieweit das Vertragsprodukt (Bauart) und/oder seine Teile nach den geltenden Vorschriften einschlägiger harmonisierter und/oder sonstiger Normen entworfen wurde und welche Teile ggfs. ohne Anwendung der einschlägigen Vorschriften dieser Normen entworfen wurden. Die auf OEM-Produkte bezogenen Entwicklungs- und Lieferverträge der Eigenmarken-Hersteller enthalten weiterhin regelmäßig die Bestimmung, wonach der Lieferant diesem nach Gelingen dieses Nachweises einen Prototyp übersendet. Der Eigenmarken-Hersteller prüft dann oder lässt von dritter Seite prüfen, ob der Prototyp in Übereinstimmung mit dem technischen Entwurf hergestellt wurde und den gesetzlichen Anforderungen ( (Produktsicherheit / Produktsicherheitsrecht, Ökodesign, EMV, FuAG, RoHS, etc.) und den sonstigen Anforderungen aus dem Lastenheft genügt. Der Eigenmarken-Hersteller erteilt daraufhin die Freigabe des technischen Entwurfs (Konstruktionsfreigabe) oder lehnt diese ab und ist die Konstruktion oder der Prototyp nachzubessern. Nach Konstruktionsfreigabe wird aus dem Pflichtenheft heraus die dann zwischen den Parteien verbindliche technische Spezifikation erstellt. Die sich der Konstruktionsfreigabe anschließende Produktfreigabe dient der Freigabe der Industrialisierung. Der Eigenmarken-Hersteller ordert ein oder mehrere Erstmuster. Erstmuster sind unter Serienbedingungen (Maschinen, Anlagen, Betriebs- und Prüfmittel, Bearbeitungsbedingungen) gefertigte und geprüfte Produkte. Die Erstmuster sind vom Lieferanten vor deren Aussendung auf ihre Übereinstimmung mit der technischen Spezifikation hin zu prüfen und werden mit einer Abschrift der Test- und Prüfberichte dem Besteller übersendet. Durch die Erstmusterprüfung erbringt der Lieferant den Nachweis, dass auf eine wiederholsichere Serienfertigung geschlossen werden kann. Der Besteller wird dann prüfen oder prüfen lassen, ob die Muster der technischen Spezifikation gemäß hergestellt wurden. Der Besteller erteilt daraufhin die Produktfreigabe oder lehnt diese ab und ist die Industrialisierung nachzubessern.

Stellt der Lieferant nach eigenen Spezifikationen her (Katalogware) findet eine Einbindung des Eigenmarken-Herstellers in die Entwicklung naturgemäß nicht (mehr) statt. Im Übrigen gilt Vorstehendes analog und muss sich der Eigenmarken-Hersteller von der Konformität überzeugen und diese dokumentieren. Unterhält der Lieferant für das betreffende Produkt ein zertifiziertes Qualitätssicherungsystem nach D1, E1, F1, G, H, H1 oder verfügt er über eine Baumusterprüfbescheinigung, gelten hinsichtlich des vom Lieferanten zu erbringenden Nachweises der Konformität des Entwurfs weniger strenge Anforderungen. Die Parteien werden sich dann regelmäßig mit der Vorlage gültiger Bescheinigungen nach der einschlägigen CE-Richtlinie oder -verordnung für das betreffende OEM-Produkt, der Verpflichtung zu deren Aufrechterhaltung und einer Übereinstimmungserklärung des Lieferanten, wonach OEM-Produkt und Privat Label-Produkt identisch sind, begnügen können. Ist bezogen auf das Privat Label-Produkt eines der Module D1, E1, F1, G, H, H1 anzuwenden oder bedarf es einer EU-Baumusterprüfung ist weiter die Einbeziehung des Qualitätssicherungsystems des Lieferanten in das des Eigenmarken-Herstellers bzw. ist beim Erfordernis einer EU-Baumusterprüfbescheinigung die Mitwirkung des Lieferanten im jeweiligen Zertifizierungsverfahren sicherzustellen und zu regeln. 

Fertigungsfreigabe 

Mittels auf die Fertigungsstufe bezogener Regelungen ist die Übereinstimmung der gelieferten Produkte (Verkehrseinheiten) mit dem freigegebenen Erstmuster bei Serienfertigung sicherzustellen. Bedarf es hierfür nach der einschlägigen CE-Richtlinie oder -verordnung eines zertifizierten Qualitätssicherungsystems oder überwachter Produktprüfung und unterhält der nach eigenen Spezifikationen herstellende Lieferant (Katalogware) solche, werden sich die Parteien auch hier mit der Vorlage gültiger Bescheinigungen für das betreffende Produkt, der Verpflichtung zu deren Aufrechterhaltung und einer Übereinstimmungserklärung des Lieferanten, wonach OEM-Produkt und Privat Label-Produkt identisch sind, regelmäßig begnügen können. Es bleibt die Einbeziehung des Qualitätssicherungssystems des Lieferanten in das des Eigenmarken- Herstellers i.S. der Ziffer 4.1 Abs. 4 DIN EN ISO 9001:2008-12 sicherzustellen und ist die Mitwirkung des Lieferanten im jeweiligen Zertifizierungsverfahren zu regeln.

Spezifische Regelungen sind indes erforderlich, wenn der Lieferant für das betreffende Produkt nicht selbst Hersteller ist oder bezogen auf das vom Eigenmarken-Hersteller ausgewählte Modul über ein zertifiziertes Qualitätssicherungssystem oder eine überwachte Produktprüfung nicht verfügt. Fordert die einschlägige CE-Richtlinie oder -verordnung weder ein auf die Fertigung bezogenes Qualitätssicherungssystem, noch eine überwachte Produktprüfung, steht es dem Privat Label Manufacturer freilich frei, wie er die Konformität bei Serienfertigung sicherzustellen gedenkt. Indes greifen die in der Praxis vorfindlichen Regelungen zwischen Lieferant und Eigenmarken-Hersteller zur Qualitätssicherung regelmäßig, bewusst oder unbewusst, die in den Teilmodulen C1, C2, D, E, F oder in den Modulen G, H, H1 beschriebenen und solchermaßen vom unionalen Gesetzgeber als tauglich befundenen Qualitätssicherungsprozesse, in Gänze oder in Teilen, auf. Obschon in diesen Fällen der Rückgriff auf diese (Teil-)Module freiwillig bleibt, kommt es in der Praxis zu inhaltlich weitestgehend einheitlichen Regelungen, d.h. unabhängig davon, ob es gesetzlich eines zertifizierten Qualitätssicherungssystems oder überwachter Produktprüfung bedarf oder nicht. Die Parteien werden auf nachstehende (Teil-)Module – gegebenenfalls inhaltlich und in Umfang modifiziert – zurückgreifen und zwischen diesen auswählen.


© Rechtsanwalt Matthias K. Bauer



 




 


 

 








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